Blicke vom Brückenscheitel

In vier Regensburger Geschichten treten berühmte Söhne der Stadt, freiwillige und unfreiwillige, Adoptiv- und Ehrensöhne, und zudem ein unbekannt gebliebener schlauköpfiger Geist auf die Bühne: Johannes Kepler, Marc Aurel, der Heilige St. Emmeram und das sogenannte ‚Brückenmännchen’, dem Dieter Lohr in seiner Titelgeschichte den fiktiven Namen Ignatius Daedalus Curtz gegeben hat. Nicht nur der bürgerliche Name des steinernen Mannes, der vom Brückenscheitel blickt, ist erdichtet – auch im Handlungsgeschehen macht der Autor reichlich Gebrauch von seiner schriftstellerischen Freiheit. So entdeckt Ignatius Daedalus Curtz verfrüht die Gesetze der Luftfahrt, kommt jedoch nicht mehr dazu, seine Erkenntnisse der Nachwelt zu übermitteln. Keplers letzte Tage werden mit Leben gefüllt, der römische Kaiser und Philosoph Marcus Aurelius trifft während eines gedankenvollen Nachtspaziergangs auf einen unbeugsamen Widersacher und kommt dabei ins Grübeln, ob mit der Idee des Römischen Weltfriedens irgend etwas nicht stimmt, und schließlich kümmert sich Emmeram um ehemalige Baumbewohner und behält dabei seine Unschuld.

Dieter Lohr schleust in seinen Erzählungen die Leser durch unterschiedlichste Atmosphären, von einer plastisch dichten und dabei doppel- und dreifachbödigen Stimmung über nebulös fließende, auf philosophischen Gedanken dahinziehende Dunstkreise, bis hin zu den trocken prosaischen Umrissen einer Zeit, in der die Höflichkeit erst noch erfunden werden musste…

Blicke vom Brückenscheitel
Erzählungen
Der Andere Verlag 2004
Paperback, 136 Seiten, ISBN 3-89959-219-0, 9,90 €